Die größte Ballerina der Welt kann auf Fotos wie eine Laientänzerin aus der Ballettschule nebenan wirken. Die Beine gebeugt, die Arme angewinkelt und der Sprung unspektakulär niedrig. Nur eine Milli-Sekunde später hätte alles ganz anders sein können. Die Beine gestreckt in einer Linie, die Arme elegant in weichem Schwung und der Sprung hoch in der Luft. Das Foto friert gnadenlos ein – und suggeriert doch, wie es weitergehen könnte: linkische Mini-Sprünge oder schwereloses Verweilen in der Höhe. Das Verhältnis von flüchtigem Tanz und festlegender Fotografie ist angespannt. Und doch können sie eine wunderbare Liaison eingehen!
Seit Beginn der Fotografie Anfang des 19. Jahrhunderts versuchen FotografInnen, das Vergängliche einzufangen. Je weiter die Technik fortschritt, desto schärfer ließen sich Bewegungen auf Papier bannen. Die große Herausforderung bleibt bis heute, innerhalb von Sekundenbruchteilen einen besonderen Moment zu erkennen und gekonnt zu belichten. Für die Tanzfotografie braucht es dazu das Gespür für den Ablauf der Bewegung. Vielleicht finden sich deshalb inzwischen so viele (ehemalige) TänzerInnen unter den TanzfotografInnen. Beim Stuttgarter Ballett begleitet der Erste Solist Roman Novitzky seine KollegInnen mit der Kamera. Wenn das Multitalent nicht gerade selbst auf der Bühne steht oder gar choreographiert, schießt er Bilder von Proben, macht PR-Fotos und Porträts. Auf der Jagd nach dem interessantesten Blickwinkel legt er sich auf den Boden, stellt sich auf einen Stuhl, klettert auf eine Leiter. „Die eine Bewegung sieht vielleicht von vorne am besten aus, die andere von schräg hinten“, erklärt er und tanzt mit seinem Objektiv ständig mit.
Allerdings muss man nicht selber tanzen, um ein Gespür für das richtige Timing zu haben. Während Roman Novitzky hauptsächlich abseits der Bühne gefragt ist, fotografiert Bernhard Weis seit über 20 Jahren Vorstellungen aus dem Zuschauerraum und bestückt somit unter anderem den Stuttgarter-Ballett-Kalender. Bei neuen Werken besucht der Profi-Fotograf meistens vorher schon eine Probe. Er bereitet sich auf unerwartete Wendungen und schwierige Lichtverhältnisse vor, hält Ausschau nach markanten Bewegungen und interessanten Bildkompositionen. Dornröschen hat er bereits unzählige Male fotografiert und trotzdem wird er nie müde, magische Momente in der richtigen Sekunde abzupassen. Sein Timing ist sensationell. Nicht selten fragt man sich, wie er das macht. Vielleicht liegt das Geheimnis in der Konzentration. Den entspannten Publikumsblick hat er verlernt – selbst, wenn er ausnahmsweise tatsächlich mal ohne Foto-Equipment ein Ballett anschaut.
Dabei macht es das Genre des Balletts den FotografInnen nicht leicht. Nicht nur soll aus einem Bild Bewegung sprechen, nein, die Bewegung soll perfekt sein. Schließlich trainieren TänzerInnen ihr ganzes Leben daraufhin. Wehe dem, der das Bein auf dem Weg zur Streckung fotografiert und nicht wenn es seine volle Länge erreicht hat! Nicht das Bild vom Absprung, das Bild vom Zenit des Sprungs zählt. So zeigt sich das Handwerk und seine Meisterschaft. Ist man im Publikum vom anmutigen Oberkörper abgelenkt, kann der Blick auf dem Foto verweilen und die Füße genau unter die Lupe nehmen. Aber zu viel Perfektion ist langweilig. Was für die Bühne gilt, gilt auch für das Abbild: Ohne Ausdruck sagt die makelloseste Technik nichts. Die ikonographischen Bilder der Tanzgeschichte sind nicht zu diesen geworden, weil sie die reinste Pose abbilden. Vaslav Nijinsky in L‘Après-midi d'un faune oder Anna Pavlova in Der sterbende Schwan offenbaren Emotionen. Selbst beim Millionsten Betrachten geben sie Rätsel auf, faszinieren als Bild an sich und sind doch nie weit von der Flüchtigkeit des Momentes entfernt. Sie lassen im Geiste weitertanzen.
Pia Boekhorst
Foto: Roman Novitzky © Roman Novitzky
Seit Beginn der Fotografie Anfang des 19. Jahrhunderts versuchen FotografInnen, das Vergängliche einzufangen. Je weiter die Technik fortschritt, desto schärfer ließen sich Bewegungen auf Papier bannen. Die große Herausforderung bleibt bis heute, innerhalb von Sekundenbruchteilen einen besonderen Moment zu erkennen und gekonnt zu belichten. Für die Tanzfotografie braucht es dazu das Gespür für den Ablauf der Bewegung. Vielleicht finden sich deshalb inzwischen so viele (ehemalige) TänzerInnen unter den TanzfotografInnen. Beim Stuttgarter Ballett begleitet der Erste Solist Roman Novitzky seine KollegInnen mit der Kamera. Wenn das Multitalent nicht gerade selbst auf der Bühne steht oder gar choreographiert, schießt er Bilder von Proben, macht PR-Fotos und Porträts. Auf der Jagd nach dem interessantesten Blickwinkel legt er sich auf den Boden, stellt sich auf einen Stuhl, klettert auf eine Leiter. „Die eine Bewegung sieht vielleicht von vorne am besten aus, die andere von schräg hinten“, erklärt er und tanzt mit seinem Objektiv ständig mit.
Allerdings muss man nicht selber tanzen, um ein Gespür für das richtige Timing zu haben. Während Roman Novitzky hauptsächlich abseits der Bühne gefragt ist, fotografiert Bernhard Weis seit über 20 Jahren Vorstellungen aus dem Zuschauerraum und bestückt somit unter anderem den Stuttgarter-Ballett-Kalender. Bei neuen Werken besucht der Profi-Fotograf meistens vorher schon eine Probe. Er bereitet sich auf unerwartete Wendungen und schwierige Lichtverhältnisse vor, hält Ausschau nach markanten Bewegungen und interessanten Bildkompositionen. Dornröschen hat er bereits unzählige Male fotografiert und trotzdem wird er nie müde, magische Momente in der richtigen Sekunde abzupassen. Sein Timing ist sensationell. Nicht selten fragt man sich, wie er das macht. Vielleicht liegt das Geheimnis in der Konzentration. Den entspannten Publikumsblick hat er verlernt – selbst, wenn er ausnahmsweise tatsächlich mal ohne Foto-Equipment ein Ballett anschaut.
Dabei macht es das Genre des Balletts den FotografInnen nicht leicht. Nicht nur soll aus einem Bild Bewegung sprechen, nein, die Bewegung soll perfekt sein. Schließlich trainieren TänzerInnen ihr ganzes Leben daraufhin. Wehe dem, der das Bein auf dem Weg zur Streckung fotografiert und nicht wenn es seine volle Länge erreicht hat! Nicht das Bild vom Absprung, das Bild vom Zenit des Sprungs zählt. So zeigt sich das Handwerk und seine Meisterschaft. Ist man im Publikum vom anmutigen Oberkörper abgelenkt, kann der Blick auf dem Foto verweilen und die Füße genau unter die Lupe nehmen. Aber zu viel Perfektion ist langweilig. Was für die Bühne gilt, gilt auch für das Abbild: Ohne Ausdruck sagt die makelloseste Technik nichts. Die ikonographischen Bilder der Tanzgeschichte sind nicht zu diesen geworden, weil sie die reinste Pose abbilden. Vaslav Nijinsky in L‘Après-midi d'un faune oder Anna Pavlova in Der sterbende Schwan offenbaren Emotionen. Selbst beim Millionsten Betrachten geben sie Rätsel auf, faszinieren als Bild an sich und sind doch nie weit von der Flüchtigkeit des Momentes entfernt. Sie lassen im Geiste weitertanzen.
Pia Boekhorst
Foto: Roman Novitzky © Roman Novitzky
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